Am späten Nachmittag, immer noch bei großer Hitze, fahren wir an den westlichen Rand der Innenstadt von Kyiw, wo die Witwe Oksana ganz in der Nähe einer U-Bahn-Station wohnt.
Im Spendenaufruf für Oksana und ihre beiden Töchter heißt es:
Ihr Ehemann hieß Aleksej, geboren am 30.8.1974 in Kyiw. Er war erfolgreicher Absolvent der Suworow-Militärschule und des Instituts für Panzertruppen in Charkiw. Nach dem Abitur und mehreren Jahren Militärdienst ließ er sich aus gesundheitlichen Gründen ausmustern.
“Wir waren eine glückliche Familie,” sagt seine Frau Oksana (42) “mit unseren Töchtern Julia (16) und Daria (6).
“Zum Zeitpunkt, als Aljoscha (Aleksej) in die ATO-Zone ging, erwarteten wir unsere dritte Tochter – Maria, die jetzt sieben Monate alt ist. Mein Mann ging als Freiwilliger in das Kriegsgebiet, wir haben nicht versucht, ihn zu überreden, dazubleiben.
Am 3.9.2014 starb er an den Folgen eines Beschusses mit “Tornado-Raketen” in der Ortschaft Dmytriwka in der Oblast Luhansk. Er sah seine lang erwartete dritte Tochter nicht mehr… “
Kyiwer Stadthäuser haben meist einen befahrbaren Innenhof, meist die einzige Möglichkeit zu parken. Dann muss man nur noch den richtigen Hauseingang finden und dort einen Code eingeben (und wissen, in welche Etage man muss). All diese Hürden gemeistert, kamen wir zur Wohnungstür, an der uns eine erkennbar gestresste Oksana hereinbat. Wir wurden in ein Zimmer komplimentiert, in dem ein großes Bett und himmelviele Schränkchen und Kommoden mit viel Spielzeug, Wäsche usw. standen, ein Stuhl wurde herbeigezaubert.
Der Witwe Oksana und ihren Töchtern fehlt das Familienoberhaupt sehr. Anscheinend hat der gefallene Vater sich zu Lebzeiten um alles gekümmert, hat gut verdient und der Familie einen gewissen Mittelklasse-Lebensstandard (würde man bei uns sagen) bieten können. Die Wohnung ist für ukrainische Verhältnisse absolut in Ordnung und liegt in sehr verkehrsgünstiger Lage. Jetzt aber fehlt der für alles sorgende Vater, Oksana ist eigentlich eine richtige “Stadtlady”, offensichtlich aus gutem Elternhaus, gebildet, eine sorgende Mutter – und jetzt plötzlich in der für sie völlig ungewohnten Situation, auf Hilfe von Dritten angewiesen zu sein, was für sie schwer zu akzeptieren ist.
Die älteste Tochter Julia hat die Sekundarschule erfolgreich beendet und wird nach dem Sommerferien an der nahegelegenen Universität ein Studium aufnehmen. Die mittlere Tochter Dascha kommt jetzt in die Schule, was für die Mutter bedeutet, dass sie gleich zweimal für die “Grundausstattung” sorgen muss.
Und die Kleinste, das Baby, das kurz nach dem Tod des Vaters geboren wurde, beginnt gerade damit, sich eigenständig aufzurichten und die erste Schritte an der Hand zu gehen, ein Sonnenschein von Kind, aber aktiv!
Außer den drei Töchtern und der Mutter war noch eine weitere junge Frau anwesend, die Frau eines Militärkameraden des gefallenen Vaters, deren Mann nach einer schweren Verletzung in der ATO-Zone in einem Krankenhaus behandelt wird. Sie hilft Oksana häufiger bei der Kinderbetreuung – eine echte Freundin der Familie.
Inzwischen sind die bürokratischen Dinge im Zusammenhang mit dem Tod von Aleksej O. erledigt, die Witwe bekommt die Waisenrente für die drei Töchter, die Wohnung war bezahlt und die Erbübertragung ist abgeschlossen, insofern gibt es keine rechtlichen Probleme mehr.
Das Einzige, was nicht so richtig geklappt hat, ist einen Urlaubsaufenthalt aus den vielfältigen Angeboten für Witwen, die von den Freiwilligen-Organisationen organisiert werden, zu finden, da das Altersspektrum der Kinder (fast 18, 6 und knapp 1 Jahr alt) für keines der Programme passend ist – ein Kind hätte immer zuhause bleiben müssen, und das wollte Oksana verständlicherweise nicht.
Der kleine Wirbelwind und auch die mittlere Tochter Dascha machten es für Oksana schwer, sich zu konzentrieren, insgesamt, empfanden wie die Atmosphäre als sehr angespannt und hektisch. Nun gut, wir haben die Spendenübergabe durchgeführt und 600 € in bar ausgehändigt; Fotos wurden nur ganz wenige gemacht, Oksana wollte das nicht so wirklich – und Datenschutzgründe sind für uns heilig.
Mit dem Geld kann sie jetzt einen Schreibtisch für Dascha und die Ausstattung für den Schulbeginn kaufen und auch für Julias Studium die anfangs nötigen Dinge finanzieren.
Da wir aber (auf Grund der Hitze ?) vor dem Besuch vergessen hatten, die obligatorischen Haribo-Gummibärchen mitzunehmen, baten wir zum Ende unseres Besuchs, dass jemand zum Auto mit runterkommen möge. Oksana kam dann selbst mit, und im Freien, dann ohne Kinder, war sie wie verwandelt. Sie erzählte noch viel, konnte plötzlich scherzen, völlig entspannt.
Wir bitten Euch um Unterstützung für diese und andere Familien von Kriegsgefallenen. Mit Euren Spenden helft Ihr diesen Familien sehr, über die Runden zu kommen und die nötige psychologische Hilfe zu finanzieren. Oder auch ganz einfach, um sich das Nötigste für das alltägliche Leben leisten zu können.
Spenden bitte über PayPal (hilfsprogramm.de.ua@gmail.com)
oder per Banküberweisung: IBAN-Nr. DE12380601861502025011, BIC GENODED1BRS, Kontoinhaber: Euromaidan NRW e.V., Volksbank Bonn-Rhein-Sieg eG, Bonn
Verwendungszweck : Hilfsaktion Witwen
(falls eine Spendenbescheinigung erwünscht ist, bitte die Anschrift – Straße, Hausnr., PLZ und Ort im Verwendungszweck angeben)
Vielen herzlichen Dank im Voraus,
Euer Team Euromaidan NRW e.V.